Brauchen Christen eine private Altersvorsorge?

Grundsätzlich lässt sich das Anlegen von Geld mit den Aussagen der Bibel deutlich besser vereinen als das Aufnehmen von Schulden. Trotzdem werde ich immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob Christen überhaupt finanziell vorsorgen dürfen? Drückt ein solches Handeln nicht Zweifel an Gottes Zusage aus, unser Versorger zu sein?

Gibt es in der Bibel eine Altersvorsorge?

Ein Blick in die Bibel offenbart schnell, dass Vorsorge bzw. das Bilden von Rücklagen keine Erfindung der modernen Versicherungsbranche ist. Im Alten und Neuen Testament basierte Vorsorge auf einem Generationenvertrag, in dem die Kinder für ihre Eltern sorgen.

Dieser Gedanke ist so elementar, dass er sich sogar in den Zehn Geboten wiederfindet. Im vierten Gebot heißt es (2. Mose 20,12): Ehre deinen Vater und deine Mutter! Verbunden mit dem Gebot ist die Verheißung eines langen Lebens, inkl. materieller Versorgung. Vor diesem Hintergrund galt Kinderlosigkeit in der Antike als Strafe Gottes, da ohne Kinder keine Altersversorgung vorhanden war.

In den Sprüchen Salomos taucht der Gedanke auf, aktiv einen Vorrat für schlechte Zeiten anzulegen (Sprüche 6,6-11): Beobachte die Ameisen… sie arbeiten den ganzen Sommer über fleißig, und im Herbst haben sie einen Vorrat für den Winter angelegt… Wann stehst du endlich auf? „Lass mich noch ein bisschen schlafen“, sagst du, „nur noch ein Weilchen!“ – und während du dich noch ausruhst, ist die Armut plötzlich da, und die Not überfällt dich wie ein Räuber.

Eine perfekte Umsetzung dieses Rates lieferte bereits Joseph, als er durch Gottes Weisheit die Träume des ägyptischen Pharaos deutete: „Pharao, es werden sieben fette Jahre kommen, in denen es uns gut geht! Danach folgen sieben dürre Jahre. Aber vorsorgen müssen wir nicht, denn Gott wird uns durch ein Wunder auch in der Dürre versorgen!“ War es so? Nein.

In 1. Mose 41 lesen wir eine gänzlich andere Reaktion Josephs (Verse 33-36): Darum rate ich dem Pharao, einen klugen, einsichtigen Mann zu suchen und ihm Vollmacht über ganz Ägypten zu geben. Der Pharao sollte in den kommenden guten Jahren den fünften Teil der Ernte als Abgabe erheben,… das Getreide in den Städten sammeln und speichern. Dann ist ein Vorrat da für die sieben schlechten Jahre, und das Volk im ganzen Land Ägypten wird nicht vor Hunger zugrunde gehen.

Wie handeln wir klug und einsichtig im 21. Jahrhundert?

Was können wir von Joseph für die eigene Altersvorsorge lernen? Anders als Joseph benötigen wir im 21. Jahrhundert keine göttliche Offenbarung, um zu erkennen, dass die staatliche Rente deutlich niedriger ausfallen wird als das Einkommen im Erwerbsleben. Daher dürfen und sollen wir mit den uns von Gott anvertrauten Gütern ebenso klug und einsichtig handeln wie Joseph im alten Ägypten.

In den „fetteren Erwerbsjahren“ etwas für die „dürren Rentenjahre“ zurücklegen, widerspricht also nicht dem Vertrauen in Gottes Versorgung, sondern ist angewandte biblische Praxis. Mit dieser Strategie können wir nicht nur die eigene Versorgung sichern, sondern gleichzeitig den Grundstock legen, auch in den dürren Jahren noch ein Segen für andere zu sein (so wie Ägypten in der Dürrezeit auch umliegende Länder mit Getreide versorgte, 1. Mose 41,57).

Wenn Christen ohne Rücksprache mit Gott auf eine private Altersvorsorge verzichten mit dem Argument, Gott werde sie auch im Alter versorgen, verbirgt sich hinter dieser zunächst fromm klingenden Haltung bei genauerer Betrachtung nicht selten blanker Egoismus. Denn anstatt die Einsparungen durch fehlende Vorsorge komplett im Reich Gottes anzulegen, wird das Geld lieber in kurzfristige Konsumwünsche oder den nächsten Urlaub investiert.

Grenzen der privaten Altersvorsorge

Vorsorge lässt sich also als biblisches Prinzip bejahen. Doch wir müssen ihre Grenzen kennen, um dem Werben Mammons nicht zu erliegen:

Wer ist Dein Versorger?

Bei aller Vorsorge dürfen wir nie vergessen, wer unser Versorger ist, denn alle Versorgung stammt letztendlich von Gott! Egal, ob sie über Jahre angespart wurde oder plötzlich und unerwartet als Wunder eintritt. Keine Versicherung, keine Geldanlage und keine Immobilie kann uns im Notfall versorgen. Aber sie kann durch Gottes Gnade zu einem Kanal werden, über den Gott uns Versorgung zukommen lässt. Und doch bleibt der eigentliche Versorger immer der gleiche: Gott allein! Nur er hat die Macht, uns alles zu geben, was wir zu einem gelingenden Leben benötigen.

Paulus formuliert die Rolle Gottes als Versorger im 1. Brief an die die Korinther in Kapitel 4,7 so: Was bringt dich überhaupt dazu, so überheblich zu sein? Alles, was du besitzt, hat Gott dir doch geschenkt. Hat er dir aber alles geschenkt, wie kannst du dann damit prahlen, als wäre es dein eigenes Verdienst?

Was ist Dein Ziel?

Was ist das oberste Ziel, wenn wir Geld sparen oder anlegen? Rendite (System Mammons) oder Menschen (Gottes Königreich)? Auch hier kommt wieder die Frage zum Vorschein: Wem dienst Du? Wenn Rendite und Gewinn an erster Stelle stehen und wichtiger als Menschen werden, warnt Paulus uns eindringlich im 1. Brief an Timotheus (6,9f.):

Wie oft erliegen Menschen, die um jeden Preis reich werden wollten, den Versuchungen des Teufels, wie oft verfangen sie sich in seinen Netzen! … Alles Böse wächst aus der Habgier. Schon so mancher ist ihr verfallen und hat dadurch seinen Glauben verloren. Wie viel Not und Leid hätte er sich ersparen können!

Eine sehr eindringliche Warnung: Habgier ist eine Quelle für sämtliche Bosheiten bzw. alles Böse, das die Bibel und die menschliche Geschichte uns lehren.

Hüte Dich vor der Habgier

Möchte ich (um mich an den Profiten meiner Bank zu beteiligen), dass mein Sparguthaben in Form von Staatsanleihen an korrupte Diktatoren fließt, die Waffen und Luxuslimousinen kaufen und gleichzeitig Menschenrechte mit Füßen treten und ihr Land in Hunger und Krieg versinken lassen? Oder wie fände ich es, wenn mein Rentenkapital als Unternehmensanleihe einen Palmölhersteller unterstützt, der Regenwälder abholzt und damit natürliche Lebensräume vernichtet, um dort unter Bestechung der örtlichen Behörden Fabriken zu errichten, in denen Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen ausgebeutet werden?

Auch nicht ethischer empfinden wir ein Investment, dass Großkonzerne darin bestätigt, ihren Topmanagern dreistellige Millionenbeträge als Bonus zu zahlen und gleichzeitig tausende von Mitarbeitern zu entlassen. Beliebt als stabile Geldanlage sind auch Pharma-Unternehmen, die mit ihrer Preispolitik dafür sorgen, dass Gesundheit in Entwicklungsländern ein Luxusgut bleibt. Womöglich investiert meine deutsche Bank auch innovativ in Agrar-Rohstoffe, sodass die Preise der Grundnahrungsmittel für die Ärmsten der Armen unbezahlbar werden? Ganz zu schweigen von der Rüstungsindustrie oder einer menschenverachtenden Sex-Branche, die jedes Jahr mit satten Gewinnen lockt.

Vor diesem Hintergrund sollten Christen sehr genau überlegen, wo sie ihr Geld anlegen. Neben der Habgier als falscher Motivation gibt es bei Geldanlagen einen weiteren Fallstrick. Eine Bank wirbt mit dem Slogan: „Wir machen den Weg frei“. Aber keiner fragt: „Wo geht dieser Weg eigentlich hin?“ Sind die Anlagekriterien meiner Bank oder Bausparkasse, meiner Versicherung oder Investmentgesellschaft mit meinen Werten oder biblischen Prinzipien vereinbar? Da Geld eine Wirkung hat, entscheiden wir unbewusst mit jeder Anlage, welche Art des Wirtschaftens und des Umgangs mit Mensch und Natur wir unterstützen und fördern. Am Ende des Tages beeinflussen wir so ein Stück weit mit, wie die Welt von morgen aussehen wird.

Die Aufzählung oben ließe sich beliebig fortsetzen, und vermutlich hat niemand beim Lesen der beiden letzten Absätze sein inneres OK zu einer der Geschäfte gegeben. Doch in den normalen Anlagestrategien von Banken, Versicherungen oder Investmentgesellschaften werden die genannten Fälle nicht ausgeschlossen – solange die Rendite stimmt. So unterstützen wir unbewusst und ohne es zu wollen Geschäftspraktiken, die wir eigentlich verurteilen. Mögen unsere Anteile an solchen Beteiligungen auch noch so klein sein – ich persönlich möchte nicht länger, dass auch nur ein Cent des mir anvertrauten Geldes an Regierungen, an Unternehmen oder in Projekte fließt, deren Geschäftspraktiken ich nicht gutheiße oder sogar zutiefst verabscheue.

Veränderung ist möglich

Salomo warnt uns, in unseren Geschäfts- und Anlagepraktiken den Gewinn und die Rendite über alles zu stellen (Sprüche 1,19): So geht es allen, die nach unrechten Gewinn trachten: er kostet seinen Besitzern das Leben!

Sind wir mit unseren Sparanlagen und Vorsorgeprodukten schuldig geworden, können wir Buße tun und mit Worten des 119. Psalms beten (Verse 36-37a): Lenke mein Herz hin zu dem, was du in deinem Wort bezeugst, und halte es fern vom selbstsüchtigen Streben nach Gewinn! (Schlachter übersetzt: Habgier). Ja, halte meine Augen davon ab, nach trügerischen Dingen Ausschau zu halten.

Welche Alternativen es zu traditionellen Sparanlagen und Vorsorgeprodukten gibt, werden wir in einem eigenen Artikel untersuchen. Schließlich deutete schon Jesus im Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (Lk. 19,11-27) an, dass die Anlage bei einer normalen Bank nur die Notlösung für Finanzmittel sein sollte (Vers 23). Eine weitere von Christen häufig nicht in Betracht gezogene Alternative ist das direkte Investment ins Reich Gottes, um Schätze im Himmel zu sammeln. Auch diesem Thema werden wir einen eigenen Artikel widmen.

Schließen möchte ich mit einer Geschiche aus dem alten China, die ich im Buch „Für jeden Tag ein Stück vom Glück“ gefunden habe:

Der große Meister Meng Tse stand mit seinem Lieblingsschüler an einem Spielplatz, auf dem die Kinder spielten, als der Schüler wissen wollte: „Wie kommt es, dass alle Menschen glücklich sein wollen und es doch nicht werden?“

Meng Tse zeigt auf die spielenden Kinder: „Ich denke, sie sind glücklich!“ „Es sind Kinder und sie spielen. Wie aber ist es um das Glück der Erwachsenen bestellt?“, fragte der Schüler weiter. „Wie um das Glück der Kinder – genauso!“, entgegnete Meng Tse.

Dann holte er aus dem Ärmel seines weiten Gewandes eine Handvoll Münzen und warf sie unter die Kinder. Da verstummte augenblicklich das fröhliche Lachen, das Spiel hörte auf und die Kinder stürzten sich auf die Münzen, um sie zu erhaschen. Sie lagen auf dem Boden und rauften um das Geld. Geschrei und Gezeter ertönte.

Meng Tse fragte: „Was hat nun das Glück der Kinder zerstört?“ „Der Streit“, erwiderte der Schüler. „Und was erzeugt den Streit?“ „Die Habgier.“

„Da hast du die Antwort auf die Frage, wie es kommt, dass alle Menschen glücklich sein wollen und es nicht werden“, sagte Meng Tse.